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Einblick in verborgene Realitäten

Sebastian Hamel

NORDHORN Eine Szene in Deutschland: Die Straßenbahn ist voll, und als ein älterer Mann einsteigt, bietet ein Kind mit schwarzer Hautfarbe ihm seinen Platz an. Doch anstatt sich zu freuen, entgegnet der Mann: „Bäh! Von sowas wie dir nehme ich keinen Platz an.“ Zudem schiebt er die Bemerkung hinterher, dass man „sowas“ früher vergast habe. Niemand in der Bahn sagte etwas dazu.

Es sind nicht immer drastische Situationen wie diese, die schwarze Menschen in Deutschland erleben müssen – aber auch scheinbar harmlose Aussagen wie „Du sprichst aber gut Deutsch“ oder Fragen wie „Woher kommst du denn wirklich?“ geben Betroffenen das Gefühl, kein vollwertiger Teil der Gesellschaft zu sein. Der aus Ravensburg stammende Dominik Lucha hat entsprechende Erlebnisse von Menschen mit schwarzer Hautfarbe gesammelt und zu einer Ausstellung mit dem Titel „Was ihr nicht seht“ formiert – um Rassismus sichtbar zu machen, der sich oft abseits der Öffentlichkeit abspielt.

Lehrerin Manila Schmidt hat die Ausstellung jüngst an die Berufsbildenden Schulen (BBS) Gesundheit und Soziales in Nordhorn geholt. Derzeit werden die bedrückenden Zitate ausschließlich mit den Schülerinnen und Schülern besprochen, doch ab Montag, 18. September, wird die Ausstellung zwei Wochen lang im Foyer der Schule präsentiert und kann während der Öffnungszeiten der Schule von allen Interessierten besucht werden. Die Ausstellung besteht aus Schilderungen, die dem Initiator Dominik Lucha anonym zugeschickt wurden. Diese veröffentlicht er auf seinem Instagram-Kanal „wasihrnichtseht“, den er im Jahr 2020 nach der Tötung des Afroamerikaners George Floyd gegründet hatte, um auf Rassismus in Deutschland aufmerksam zu machen. Die Zitate sind mit Angaben versehen, wie etwa dem Ort der Begebenheit oder Informationen zur angegriffenen Person, zum Beispiel: Vater schwarz aus Mosambik, Mutter weiß aus Deutschland.

Aus dem Instagram-Kanal ist eine Ausstellung geworden, die bereits an mehreren Orten in Deutschland Station gemacht hat. Lehrerin Manila Schmidt führt ihre Schüler behutsam an das Thema heran, bespricht mit ihnen die Definition von Rassismus, fragt sie, wie sie sich als Zeugen rassistischer Übergriffe verhalten würden, und gibt ihnen die Möglichkeit, eigene Erfahrungen zu teilen. Gleichwohl ist niemand gezwungen, sich die Ausstellung anzusehen, wenn – möglicherweise aus persönlicher Betroffenheit – dabei ein Unwohlsein besteht.

Schulleiter Heinrich Marheineke begrüßt das Engagement seiner Kollegin und unterstützt die Ausstellung, nicht zuletzt mit Blick auf das Siegel „Schule ohne Rassismus / Schule mit Courage“, das die BBS Gesundheit und Soziales trägt: „Mit der Ausstellung wollen wir Haltung zeigen, uns mit den Betroffenen verbünden und ihnen versichern: Wir sind bei euch und wollen, dass es euch gut geht.“ Sowohl Schülerinnen und Schüler als auch das Kollegium könnten dadurch weiter sensibilisiert werden. Nach dem Besuch der Ausstellung zeigten sich die Jugendlichen beeindruckt, berichteten gegenüber den GN auch von eigenen Erlebnissen in der Grafschaft. Ein Schüler sagt: „Es ist traurig, aber die Zitate in der Ausstellung haben mich nicht überrascht.“ Er fügt hinzu: „Krass finde ich aber, dass selbst Kinder derart beleidigt werden. Leute, die so etwas machen, haben anscheinend kein Schamgefühl.“ Die Ausstellung „Was ihr nicht seht“ ist von Montag, 18. September, bis Freitag, 29. September, im Foyer der BBS Gesundheit und Soziales (Am Bölt 5 in Nordhorn) zu sehen. Zudem wird ein Stand der Amnesty-Gruppe Nordhorn weitere Infos zum Thema Rassismus bieten. Eine traurige Aktualität hat das Thema in der Grafschaft, nachdem der Handballspieler Dieudonné Mubenzem vom EHV Aue bei einem Spiel gegen die HSG in Nordhorn von einem Zuschauer rassistisch beleidigt worden war (die GN berichteten).

Aktuell setzen sich die BBS-Schüler mit der Ausstellung auseinander, die ab dem 18. September auch für die Allgemeinheit geöffnet ist.

Foto: Hamel

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